Die Sängerin Edith Großmüller war der neue Star der Volksmusik. Bildhübsch, talentiert und zielstrebig hatte sie sich in die Herzen des Publikums gesungen. Am Abend sollte sie der große Stargast der Musikantengalagala in der Regensburger RT-Halle am Oberen Wöhrd sein. Jetzt aber lag sie mit weit aufgerissenen Augen und einer Strumpfhose um den Hals tot in ihrer Garderobe.

„Erdrosselt?“ fragte Kommissarin Claudia Unger die Rechtsmedizinerin Dr. Susanne Richter, die neben der Leiche hockte.

„Eindeutig. Ersticken durch Strangulation. Sie ist seit ca. einer Stunde tot.“

Die Kommissarin sah sich in der Garderobe um. Die Tote lag vor dem großen Schminktisch auf dem Fußboden. Vermutlich hatte der Täter sie von hinten angegriffen. Es deutete nichts auf einen Kampf hin, die Frau musste von ihrem Mörder vollkommen überrascht worden sein. Ihre Finger waren schwarz verschmiert.

„Was ist das, Susanne?“

„Sieht aus wie Tinte. Müsste ich allerdings erst näher untersuchen.“

Die Kommissarin machte sich auf den Weg in den großen Aufenthaltsraum, wo sich die anderen Musikanten versammelt hatten. Ein Mann kam auf sie zu.

„Das gibt´s doch nicht, das gibt´s doch nicht“, stammelte er immer wieder. „Ich bin ruiniert. Draußen vor der Halle warten die Leute, und ich muss ihnen das Eintrittsgeld zurückzahlen. Oder kann die Show doch noch beginnen?“

„Wer sind Sie?“ fragte Claudia Unger ihn.

„Brunkhorst mein Name. Ich bin der Veranstalter.“

„Nein, Herr Brunkhorst, Ihre Gala können Sie vergessen.“

„Verdammt.“

„War Frau Großmüller alleine hier?“

„Nein. Ihr Manager Klaus Köster ist immer dabei. Er steht dort drüben.“ Brunkhorst zeigte auf einen Mann, der rauchend neben dem Fenster an der Wand lehnte. Sie ging zu ihm und stellte sich vor.

„Sie war ein Kind dieser Stadt“, sagte Köster. „Hier in Regensburg habe ich sie entdeckt, und heute sollte sie als Superstar wieder hier auftreten.“ Er wurde ganz leise. „Ich habe sie gefunden, wissen Sie? Ich sollte ihr eine Flasche Whisky bringen. Ich klopfte, doch sie antwortete nicht. Als ich reinkam, lag sie tot auf dem Boden.“

„Whisky?“ Das passt doch gar nicht zu einer schönen Volksmusikantin, dachte die Kommissarin.

„Edith war nicht ganz einfach“, erklärte ihr der Manager der Toten. „Sie hatte viele Sonderwünsche. Mal waren es bestimmte Blumen für ihre Umkleide. Oder vielleicht was Extravagantes zu essen. Alles musste immer so sein, wie sie es wollte. Und nach einem Auftritt empfing sie auch gerne mal Besuch.“

„Aha. Und der Whisky war also für ihren Gast. Wissen Sie, wen sie eingeladen hatte?“

„Nein. Aber Whisky trinkt der Bernd, das wissen alle hier.“

Bernd Beierlein, der zusammen mit seiner Frau Cornelia das erfolgreiche Duo „Conny & Bernd“ bildete, stand mit seiner Frau einige Meter weiter und beobachtete verlegen die Kommissarin und Köster.

„Es wird sogar gemunkelt, dass Edith was mit Bernd hatte.“ Köster flüsterte.

Das wird ja immer interessanter, dachte Claudia und ging direkt zu den beiden.

„Hat die Kleine endlich ausgeträllert? Das Flittchen hat doch gekriegt, was sie verdient hat“, zischte Conny Beierlein.

„Aber Frau Beierlein…“

„Ist doch wahr. Die hat meinen Mann angegraben, vor aller Leute Augen. Der plötzliche Ruhm ist der doch voll zu Kopf gestiegen. Wie die sich aufgeführt hat. Als ob sie die Königin wär´. Umbringen hätte ich sie können.“

„Haben Sie?“ fragte die Kommissarin spitz.

„Natürlich nicht.“

Während seine Frau zeterte, schaute ihr Mann verlegen zu Boden.

„Stimmt das, Herr Beierlein? Hatten Sie ein Verhältnis mit Edith Großmüller?“

„Ach wo. Meine Frau übertreibt.“

Jetzt mischte sich auch der Manager der Toten ein. „Du trinkst doch Whisky, Bernd, ist doch so. Sie hat dich eingeladen, und du hast sie umgebracht.“

„Ich war´s nicht, Frau Kommissarin, das müssen Sie mir glauben. Ja, wir haben uns ein paar Mal getroffen, aber es ging nur ums Geschäft. Und heute war ich auch nicht bei ihr eingeladen. Meine Frau und ich wollten direkt nach unserem Auftritt wieder verschwinden, und Edith wäre erst nach uns dran gewesen.“

„Was hatten Sie denn geschäftlich zu bereden?“ wollte Kommissarin Unger wissen.

Bernd Beierlein blickte von der Kommissarin zu Klaus Köster und wieder zurück. „Edith wollte ihr Management wechseln. Sie hatte keine Lust mehr auf Volksmusik. Ich bin seit zwanzig Jahren im Geschäft, wissen Sie. Ich habe viele Kontakte. Ich sollte sie mit einigen Leuten bekannt machen.“

Da platzte Klaus Köster der Kragen. Wutentbrannt ging er auf Beierlein los.

„Du Lügner!“, schrie er. „Du Lügner und Mörder!“ Er ballte seine Hand zur Faust und holte aus. Sein Hemdsärmel rutschte hoch, und Claudia erkannte einen Verband an seinem Arm. Schnell sprang sie zwischen die Kontrahenten.

„Herr Köster, was haben Sie denn da an Ihrem Arm.“

Köster schob schnell den Ärmel wieder runter. „Nur ´ne Tätowierung. Hab ich mir heut Morgen stechen lassen. Ist noch ganz frisch, deshalb der Verband.“

Kommissarin Unger griff seinen Arm und riss den Verband ab. „Edith meine Liebe“ stand dort in verwischter schwarzer Schrift.

„Blöder Zeitpunkt, sich ein Tattoo stechen zu lassen, Herr Köster. Es musste Ihnen doch klar sein, dass Edith um ihr Leben kämpfen würde.“

„Ich hab sie doch geliebt“, flüsterte Klaus Köster. „Und dann sagte sie mir vorhin, dass sie mich fallen lassen würde. Ich wollte das doch nicht, es war ein Unfall…“

Mörderische Volksmusik, dachte Claudia, als sie Klaus Köster die Handschellen anlegte…